Sonnenaufgang ueber New York by Ruthie Knox

Autor:Ruthie Knox [Knox, Ruthie]
Die sprache: eng
Format: epub
veröffentlicht: 2015-08-05T22:00:00+00:00

23

Er saß an einem unebenen, klebrigen Tisch, klammerte sich an sein zweites Bier und beobachtete sie.

Sie hatte sich den Pulli ausgezogen und ihn über ihre Tasche geworfen, sodass ihre Arme und ihr Dekolleté unbedeckt waren. May und ihre neuen Freunde wirbelten herum, packten einander an den Armen, kreischten vor Lachen und sangen den Text von irgendeinem hirnlosen, billigen Scheiß-Popsong mit.

Wenn sie den Kopf nach hinten warf, blitzten ihre Ohrringe.

Er wusste nicht, ob sie einfach Spaß haben oder ihn auch bestrafen wollte – und wenn ja, warum. Weil er es ihr erzählt hatte?

Sie musste ihn nicht bestrafen. Das schaffte er auch sehr gut allein.

Er sah ihr beim Tanzen zu. Jedes Mal, wenn der blonde Typ sich ihr näherte, um ihr über die laute Musik hinweg etwas ins Ohr zu schreien, ballte er unterm Tisch die Faust und hasste sich dafür.

Sie wird mit dem Typen nichts anfangen, du Idiot. Und selbst wenn, dann ist das ihr gutes Recht. Ihr Körper.

Die Musik hatte eine orangerote Korona, die den Schmerz zwischen seinen Augenbrauen pulsieren ließ. Er kratzte sich die Haut am Daumen auf, sodass sich das Blut unter seinem Fingernagel sammelte, und starrte auf den Tisch. Auf den Fußboden.

Nur nicht auf May.

Du kannst sie nicht hierbehalten, selbst wenn du das willst. Du hast bald keine Wohnung mehr, du musst erst mal eine neue finden. Sie kehrt nach Wisconsin zurück. Ihr passt nicht zusammen. Du bist ein Versager, du verdienst sie nicht.

Geh einfach. Sie braucht dich hier nicht. Du widerst sie an.

Geh. Das ist besser für euch beide.

Aber das tat er nicht. Sogar als der blonde Mann eine Hand auf ihren Rücken legte, sich runterbeugte und sie küsste, rührte sich Ben nicht.

Er konnte sich nicht rühren.

May schob den Mann nicht weg. Sie zog ihn nicht an sich. Sie reagierte gar nicht.

Die Musik ließ die Tischplatte unter Bens Hand vibrieren, das Blut pochte in seinen Schläfen und tauchte alles in ein aggressives Rot.

May legte die Hände auf die Brust des blonden Mannes und trat einen Schritt zurück. Sie sagte etwas, worüber der Kerl lächeln musste. Sie drückte ihm freundlich den Arm.

Sie ging von ihm weg. Direkt auf Ben zu.

Er stand so schnell auf, dass sein Stuhl gegen den Stuhl neben ihm stieß, der umfiel, und Mays Pulli landete auf dem Boden.

»Gehen wir?«, fragte sie.

»Ja.«

Sie bückten sich beide, um den Stuhl wieder aufzustellen. Ben war schneller. May schwankte und musste sich an seinem Arm festhalten. »Alles in Ordnung«, sagte sie mit verstellter Stimme. »Alles in Ooooordnung.« Sie zwinkerte ihm zu, als wäre er nicht völlig am Ende. »Das ist aus Ist das Leben nicht schön? Onkel Billy.«

Er schüttelte den Kopf.

»Hast du den nicht gesehen?«

»Nicht absichtlich.«

May lachte ohne einen für ihn erkennbaren Grund. Er folgte ihr zur Tür und trug ihr den Pulli hinterher. »Willst du den nicht anziehen? Es ist kalt draußen.«

»Nein, mir ist heiß.«

Sie stolperte auf der Schwelle vor der Treppe, die zur Straße hinaufführte, und schürfte sich auf dem Beton eine Handfläche auf. Ben half ihr hoch, führte sie auf den Bürgersteig und inspizierte die Wunde unter einer Straßenlaterne.

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